Krankenversicherung in Frankreich

Das Solidaritätsprinzip

Krankenversicherung in Frankreich

Die Krankenversicherung stellt eine Säule des französischen Systems der sozialen Sicherung dar (neben Altersvorsorge, Arbeitunfallversicherung und Familienbeihilfeversicherung). Somit erhält also jeder (mit Wohnsitz in Frankreich) unabhängig von Altern, Einkommen, Geschlecht und Gesundheitszustand Versicherungsschutz (Solidaritätsprinzip).

Ca. 80% aller Franzosen sind über die allgemeine Krankenversicherung die Régime général d`assurance maladie, versichert. Abgesichert werden finanzielle Risiken durch Krankheit, Mutterschaft, Invalidität und Tod. Das weiteren bietet die Versicherung finanziellen Schutz bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.

Neben der allgemeinen Krankenversicherung gibt es auch noch spezielle Krankenkassen für Freiberufler, Künstler und Gewerbetreibende (3,1%), Landwirte (4,2%) sowie einzelne Berufsgruppen wie Seeleute, Kumpels oder Bahnarbeiter.

Weitere ca. 2% der Bevölkerung (Studenten und Personen, die nicht in den Zuständigkeitsbereich eines berufständischen Versicherungssystems fallen) sind über die universelle Krankenversicherung, Couverture maladie universelle (CMU; siehe diesbezüglich auch Kapitel „Zusatzversicherung“) in der allgemeinen Krankenversicherung pflichtversichert. Diese CMU trat am 01.01.2000 in Kraft um eine von einer Beschäftigung losgelösten Krankenversicherungspflicht einzuführen. Somit wurden noch die letzen ca. 150000 – 200000 Personen in die gesetzliche Versicherungspflicht miteinbezogen.

Der Versicherte geht bei Inanspruchnahme von Leistungen z.T. in Vorkasse, also zahlt den Bahandler und reicht dann die Rechnung bei der Kasse ein, z.T. zahlt die Krankenkasse auch direkt den Teil der Kosten, den sie übernimmt. Bei sehr vielen Leistungen wird von der Kasse nur ein Teil der Kosten übern9ommen. Es werden ca. 75% der Arztkosten und ca. 70% der Arzneimittelkosten getragen. 100% werden bei Bedürftigen übernommen (z.B. Jahreseinkommen kleiner 6744.- € oder für Mütter während der definierten Mutterschaft oder bei chronisch Kranken).

Da es sich um ein staatliches Gesundheitssystem handelt, übernimmt der Staat auch die entsprechenden Aufgaben. Diese sind:

  • Kontrolle der Finanzierungsinstitutionen
  • Ausbildung der Gesundheitsfachkräfte
  • Festlegung der Ausübungsbedingungen für die Gesundheitsfachkräfte
  • Kontrolle der Qualitätsstandards
  • Liefert Informationen zu allgemeinen Themen der Gesundheit wie Prävention, Impfung oder Bekämpfung verschiedener Krankheiten und kümmert sich um die entsprechenden Belange
  • Regulierung des Leistungsangebotes
  • Aufsicht der regionalen Krankenhausagenturen; diese gibt es seit 1996 und sie sind zuständig für die regionale Gesundheitspolitik im Bereich der stationären Versorgung.

Des weiteren hat der Staat einige Fachstellen eingerichtet. Beispiele hiefür sind:

  • Institut für Gesundheitsmonitoring
  • Französische Agentur für Sicherheit im Gesundheitswesen und Produktbereich
  • Blutspende-Institut
  • Agentur für Nahrungsmittelsicherheit

Historisch

1945 wurde die Sécurité Sociale mit einer paritätischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung gegründet. Von Anfang an hatte der Staat eine wesentliche Rolle. Dies verstärkte sich über die Jahre sogar noch. 1995 gab es eine Reform. Seither verabschiedet das Parlament alljährlich den Jahreshaushalt für die Krankenversicherung. Die Gelder kommen über die Beiträge. Diese Beiträge zur Krankenversicherung errechen sich aus den Einkünften (nicht nur Arbeitlohn!) des Einzelnen (contribution proportionelle sur tous les revenus).

Seit 1976 steckt das Gesundheitssystem in einer Krise und es wird ständig versucht es zu reformieren. Insgesamt über 20 Reformpläne gab es seitdem. Sie bewirkten alle nicht das Gewünschte. Inhalte der Reformpläne waren die Erhöhung der Beiträge bzw. Steuern, mehr Zuzahlungen bei Medikamenten, die Festlegung eines Krankenkassensatzes und Beschränkung der Kostenübernahme auf diesen Krankenkassensatz sowie ein erhöhter Selbstbehalt beim Krankenhaustagesatz.

1991 wurde der Allgemeine Sozialbeitrag (CSG) eingeführt. 1996 wurde eine Abgabe für die Tilgung der Sozialverschuldung (remboursement de la dette sociale) eingeführt (0,5% auf das Gesamteinkommen). Die Abgabe wurde für voraussichtlich 13 Jahre eingeführt mit dem Ziel, die hohe Verschuldung des staatlichen Gesundheitswesens zu tilgen. Unter Jospin wurde die Abgabe auf 18 Jahre verlängert. Derzeit wird über eine weitere Verlängerung diskutiert.

Die Prävention spielte im französischen Gesundheitssystem immer eine eher untergeordnete Rolle, dies soll sich in Zukunft etwas ändern. Die Förderung der öffentlichen Gesundheit und die Verringerung von falschen Verhaltensweisen wird nun zum Ziel (federführend Jean-Francois Mattei). So sind seit Januar 03 z.B. die Tabakpreise stark (15%) erhöht worden.

Finanzierung

Der größte Teil der Gelder für das Gesundheitswesen kommt zum einen von Sozialabgaben auf Lohn und Einkommen und zum anderen auf die Allgemeine Sozialsteuer (CSG). Die Beiträge auf Lohn und Einkommen sind nicht wie in Deutschland zu gleiche Teilen auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilt. Sie beziehen sich auch auf das gesamte Bruttogehalt, ohne Einkommensgrenze. Der Arbeitgeberanteil beträgt 12,8%, der Arbeitnehmeranteil 0,75%. Da dieser geringe Arbeitnehmeranteil nicht ausreichte, wurde 1991 die o.g. CSG eingeführt. Sie beträgt 7,5% errechnet von 95% des Bruttoeinkommens. Es werden für die CSG alle Einkommen, also auch Einkommen aus Kapital und Vermögen, mit einbezogen.

Problematisch an diesem Finanzierungssystem ist, dass die Einnahmen der allgemeinen Krankenversicherung konjunkturabhängig sind. 2003 wurde ursprünglich eine wirtschaftliche Wachstumsrate von 2,5% erwartet. Sie fiel jedoch wesentlich geringer aus, wodurch sich auch erhebliche Mindererlöse ergaben. Die schlechte Haushaltssituation hatte somit Auswirkungen auf das Defizit der Krankenversicherung. Seit einer Reform 1995 durch Juppébetrug war dieses Defizit jedoch dank einer besseren Wirtschaftskonjunktur geringer (zwischen 0,2 und 0,5 Mrd. Euro).

Leistungen

Es werden Sach- und Geldleistungen erbracht. Des weiteren wird auch Versicherungsschutz für Arbeitsunfälle, Invalidität und Tod geboten.

Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf sämtliche Kosten für allgemeinmedizinische und fachmedizinische Versorgung, Pflegeleistungen, Prothesen, Pharma-Produkte, medizinische Hilfsmittel, Analysen und Laboruntersuchungen, Aufenthalt und Behandlungen in Pflegeeinrichtungen, Reha-Kliniken und chirurgischen Stationen, z.T. Transportkosten, Versorgung der medizinischen und pharmazeutischen Versorgung bei Mutterschaft; hier auch für Versorgung mit Hilfsmitteln und für den Krankenhausaufenthalt und medizinische Überwachung von Neugeborenen.

Für pflegebedürftige Personen werden bestimmte Pflegeleistungen, die aufgrund des Gesundheitszustandes erforderlich sind, übernommen. Es handelt sich hierbei um Sonderbeihilfen oder Leistungszulagen.

Geldleistungen gibt es im Falle einer Arbeitsunfähigkeit im Anschluss an einer Krankheit oder durch einen Unfall. Zudem erhalten Frauen Leistungen während des Mutterschaftsurlaubes. Die Versicherten haben uneingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen.

Die Kosten für Gesundheitsdienstleistungen werden nicht komplett von der Kasse getragen, was dazu führte, dass viele Franzosen eine Zusatzversicherung abgeschlossen haben.

Für Sachleistungen gibt es bestimmte festgelegt Gebührensätze (Die Kosten können auch über die festen Sätze hinausgehen; vor allem übersteigen Sehhilfen, Zahnersatz und Hörgeräte bei weitem die Gebührensätze; diese Differenz trägt dann jedoch der Patient.) .Übernommen wird dann dieser Gebührensatz abzüglich einer Selbstbeteiligung. Diese Selbstbeteiligung ist unterschiedlich hoch. Für die Versorgung durch neidergelassene Ärzte und medizinisches Hilfspersonal beträgt sie 30 – 40%, für Medikamente 35 – 65%, für Analysen und/oder Laboruntersuchungen 40%, für Krankenhausbehandlungen 0 – 20%, für medizinische Hilfsmittel 35%. Für bestimmte Leistungen und für bestimmte Gruppen von Leistungsempfängern ist ein teilweise oder komplette Leistungsübernahme möglich.

Der Patient kann sich seinen Arzt frei wählen, auch den Facharzt. Es ist für die Konsultation eine Facharztes also keine Überweisung durch einen Hausarzt nötig. Der Patient zahlt den Arzt direkt. Es gibt zum Teil auch die Möglichkeit, dass der Patient nur den Selbstbehalt bezahlt.

Zusatzversicherung

Ganz allgemein sind 87% der Bevölkerung zusatzversichert. Entweder über Gesellschaften auf Gegenseitigkeit, über Versicherungsgesellschaften oder eben die Vorsorgewerke. Das Gros ist bei einer der 6500 Gesellschaften auf Gegenseitigkeit versichert. Diese übernehmen insgesamt über 7% der gesamten Ausgaben des Gesundheitssektors.

1999 gab es das Gesetz von der Einführung der allgemeinen Zusatzversicherung – CMU (Couverture Maldie Universelle). Geschaffen wurde sie deshalb, weil 18% der Franzosen keine Zusatzversicherung hatten. Die Pflichtkrankenversicherung erstattet zwar 75,4% der gängigsten Ausgaben und 91,3% der Kosten bei Krankenhausaufenthalt. Es werden jedoch nur 64,2% bei ambulanter Versorgung und für medizinische Güter wie z.B. Medikamente nur 58,5% übernommen. Dies führte dazu, dass eine hohe Zahl von Menschen aus finanziellen Gründen heraus auf medizinische Versorgung verzichten mussten.

Zwei Jahre nach ihrer Einführung sind nun 4650000 Personen über die CMU zusatzversichert, 85% davon über die Sozialversicherungskasse Caisse de Sécurité Sociale und 14% über die traditionellen Zusatzversicherungsorganisationen. Gewünscht wäre hier eine andere Verteilung. Die Verteilung kam jedoch dadurch zustande, dass eine große Anzahl von Menschen automatisch den Sozialversicherungskassen zugeordnet wurden. Es zeigt sich nun, dass die Ausgaben pro Versicherten über die Sozialversicherungskasse ca. 1953 Euro sind und somit 30% über denjenigen der anderen Patienten liegen. Hier gibt es also noch Probleme, die noch nicht gelöst sind.

Überlegungen und Maßnahmen zur Kostendämpfung

Auch in Frankreich steigen die Ausgaben im Gesundheitswesen zu stark an. Ein Grund ist die Zunehmende Alterung. Aufgrund dessen dürften z.B. die Kosten um ca. 1,5% des BIP ansteigen. Was wird/wurde bezüglich des Defizits unternommen:

Zum einen eine äußerst strenge Preiskontrolle. Die Preise für Medikamente sind dadurch im europäischen Vergleich recht nieder.

  • Verstärkt Maßnamen zur Prävention und Förderung der Gesundheit
  • Schaffung einer Agentur für das Gesundheitsweisen mit ausgedehnten Zuständigkeiten (weitere Verstaatlichung)
  • Übertragung der Verwaltung der Krankenhäuser auf eine regionale Ebene
  • Weiterentwicklung der ambulanten Chirurgie, um die Kosten bei den stationären Behandlungen zu senken
  • Errichtung eines Netzes zur besseren Koordination verschiedener Anbieter von Gesundheitsleistungen
  • Tarifierung der pathologischen Untersuchungen für Krankenhäuser

Im Besonderen seinen noch Generika erwähnt. Generika werden auch Nachahmerprodukte genannt. Sie sind Medikamente, die aus bewährten Wirkstoffen hergestellt werden, sobald der Patentschutz abgelaufen ist. Generika haben dabei die gleiche Wirkung und gleiche Qualität wir die Originalprodukte, manchmal sogar eine verbesserte Anwendungsform. Seit 1996 wird die Verwendung von Generika im Arzneimittelbereich gefördert. Ins Licht der Aufmerksamkeit sind derzeit besonders Medikamente gerutscht, deren medizinischer Nutzen nicht entsprechend nachgewiesen ist. Die Preise solcher Medikamente sollen sinken und entsprechende Erstattungssätze eingeführt werden.

Apotheker dürfen ein von einem Arzt verschriebenes Medikament durch ein Generikum ersetzen. Die Marge wurde an die Referenzprodukte angeglichen. Es zeigt sich jedoch, dass der Anteil von Generika relativ gering blieb.

Dieser Artikel wurde bereitgestellt von ESS (http://www.ess-europe.de).

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