Geschäftskultur in China

Interkulturelle Grundlagen

Geschäftskultur in China

Wir Westler genießen viele politische und religiöse Freiheiten. Menschenrechte waren für uns schon immer ein wichtiges Thema. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Niemand darf diskriminiert werden. Keiner darf ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren inhaftiert oder bestraft werden. Es gibt Meinungsfreiheit. Die Medien dürfen unzensiert über alle Themen berichten.

Geschäftskultur in China

In der Folge sagen Westeuropäer direkt und unmissverständlich, was sie denken. Sie können ihrer Meinung Ausdruck geben, ohne Repressalien fürchten zu müssen. Es ist üblich, Kritik an der Regierung oder an anderen Institutionen zu üben, wenn man glaubt, dass etwas falsch gemacht worden ist. Ein Mitarbeiter kann einem Vorgesetzten gegenüber frei argumentieren und ihn zu überzeugen versuchen.

Chinesische Vorstellungen

Chinesen kommen aus einem Kulturraum, in dem Harmonie, Toleranz und Hierarchie die wesentlichen Kulturwerte darstellen. So bildet das Yin & Yang-Prinzip aus chinesischer Sicht die Grundlage des Gleichgewichts im Universum und die Basis vieler chinesischer Philosophien. Die einander entgegengesetzten und dennoch aufeinander bezogenen Kräfte des Yin und des Yang sind untrennbar miteinander verbunden. Sie beeinflussen und ergänzen sich gegenseitig. Daneben beschreibt die Kernlehre des Daoismus, dass der Mensch nicht in Naturvorgänge eingreifen und den Dingen ihren Lauf lassen soll. Daraus resultieren chinesische Werte wie Schicksalsergebenheit und Zufriedenheit.

Im Konfuzianismus ist das allumfassende Hierarchiedenken ein besonderes Kernelement. Der chinesischen Vorstellung nach können Menschen im Kern nie gleich sein. Es gibt immer eine versteckte Hierarchie, die auf Bildung, Herkunft, sozialem Status und gegenseitiger Beziehung basiert. Hierarchisch höhergestellte oder älteren Personen gebührt ein hoher Respekt. Ihre Entscheidungen werden widerspruchslos akzeptiert. Chinesische Unternehmen sind im konfuzianischen Sinne streng hierarchisch aufgebaut. Titel und Seniorität haben eine sehr große Bedeutung. Jeder ist jedem in irgendeiner Art und Weise unter- oder überstellt.

Chinesen sind zudem in einer kollektivistischen Kultur aufgewachsen, in der der Gruppengedanke nicht nur durch die konfuzianische Erziehung, sondern zusätzlich durch das kommunistische System gefördert wurde. Nicht konformes Verhalten wurde bestraft. Chinesen sind es daher nicht gewohnt, eigenverantwortlich zu arbeiten. Da seit jeher der Vorgesetzte für Entscheidungen zuständig ist – wofür er in den Augen seiner Mitarbeiter ja schließlich auch bezahlt wird – fühlen sich Mitarbeiter weniger der Gruppe gegenüber verantwortlich, sondern in erster Linie ihrem Chef gegenüber. Aus dieser personenbezogenen Loyalität heraus werden chinesische Mitarbeiter die Weisungen eines Vorgesetzten oder hierarchisch Höhergestellten ohne Widerspruch oder Nachfragen bei Unklarheiten ausführen.

In der stark konfuzianisch orientierten chinesischen Unternehmenswelt gibt es zwei grundsätzliche Führungsstile, den autoritären und den paternalistischen Führungsstil. Beide sind in verschiedenen Regionen und Unternehmensformen jeweils mit unterschiedlicher Ausprägung anzutreffen. In modernen Ballungszentren ist jedoch bereits eine Tendenz zu kooperativeren Führungsstilen spürbar.

Gesicht wahren

Das allgemeine Harmoniestreben resultiert in einer indirekten Kommunikation und dem enormen Bedürfnis, in der Öffentlichkeit stets sein Gesicht zu wahren und anderen Toleranz entgegenzubringen. Nach chinesischem Verständnis hat ein ›edler‹ Mensch auch immer ein großes Herz, das vieles tolerieren kann. Mit einer gewissen Toleranz erreicht man in China oft schneller sein Ziel, als mit sachlichem Verhalten. Kritik, auch wenn sie berechtigt ist, wird in freundliche Worte verpackt, um den anderen nicht unnötig zu verletzen. Mittels der chinesischen Rhetorik kann dem Gegenüber deutlich zu verstehen gegeben werden, was man wirklich denkt, aber es wird meist indirekt ausgesprochen. Es gilt das Sprichwort: "Wenn man einem Baum seine Rinde nimmt, dann stirbt er. Die Rinde des Menschen ist sein Gesicht".

Beziehungsgeflechte (Guanxi)

Chinesen leben und arbeiten traditionell dafür, den Reichtum und die Ehre der Familie zu steigern. Dabei spielen Beziehungen zu anderen Personen eine wichtige Rolle. Als westlicher Manager sollten Sie berücksichtigen, dass sich jeder Chinese ein Leben lang bemüht, eine hohe Anzahl von belastbaren Beziehungen zu anderen Menschen und Unternehmen herzustellen, die im Laufe des Lebens sowohl im Arbeitsumfeld als auch im privaten Bereich bei Bedarf genutzt werden können. Chinesen betrachten ihre Beziehungen als ihr soziales Kapital. Allerdings gilt es, jeden Gefallen beizeiten entsprechend zurückzuzahlen. Sie sollten versuchen, das Guanxi-Prinzip zu verstehen, insbesondere auch, dass eine chinesische Empfehlung nicht notwendigerweise für die Qualität des Empfohlenen oder seiner Produkte steht. Sie bezeugt lediglich, dass es eine Beziehung gibt, bei der übrigens Familienangehörige an erster Stelle stehen.

Umgang mit Westlern

Es ist beeindruckend, wie die chinesische Bevölkerung mit dem enormen wirtschaftlichen und sozialen Wandel der letzten 30 Jahre Schritt halten konnte. Die traditionellen und die modernen Werte und Verhaltensweisen scheinen mittlerweile nahtlos ineinander überzugehen. Die Chinesen haben die Fähigkeit entwickelt, gegensätzliche Eigenschaften aufzunehmen und zu vereinen. Sie sind enorm anpassungsfähig.

Dazu ein Beispiel: Wenn zwei Chinesen miteinander kommunizieren, bestimmen typisch chinesische Verhaltensregeln den Gesprächsverlauf. Wie oben beschrieben, wird stets auf die Ausdrucksweise geachtet, um einen Gesichtsverlust des Gegenübers zu vermeiden. Ärger oder Wut werden trotz der empfundenen Gefühlswallungen unterdrückt und hinter wohlklingenden Worten verborgen gehalten.

Wenn Chinesen aber mit Deutschen, Österreichern oder Schweizern in Kontakt kommen, übertreffen sie diese manchmal an Direktheit. Viele Chinesen haben mit Westlern harte Erfahrungen machen müssen. Sie haben die Kommunikation als sehr direkt und aus ihrer Sicht aggressiv empfunden – und stellen sich nun schnell auf diese vermeintlich ungehobelte Mentalität ein, ohne sich dabei der Feinheiten eines westlichen Kommunikationsstils bewusst zu sein. Diese Chinesen können daher besonders harsch und sehr direkt im Umgang mit westlichen Geschäftspartnern wirken.

WICHTIG: Sicherlich fragen Sie sich, wie Sie sich am besten auf Ihre chinesischen Geschäftspartner einstellen sollen? Woher weiß man, ob man es mit einem modern denkenden und arbeitenden Chinesen zu tun hat oder aber mit einem recht traditionell eingestellten Partner, bei dem die konfuzianischen Werte noch sehr hoch im Kurs stehen? Wir empfehlen Ihnen, zunächst immer zurückhaltend konservativ und an den konfuzianischen Werten orientiert auf Ihre chinesischen Geschäftspartner oder Kollegen zuzugehen. Tasten Sie sich in mehreren Treffen an Ihre Gesprächspartner heran. Erst wenn Sie die Gewissheit haben, dass sie sich mit eher westlichen Umgangsformen wohl fühlen, können Sie diese sukzessive in den Arbeitsalltag einfließen lassen. Damit sind Sie immer auf der sicheren Seite!

Wer eine gehörige Portion Empathie und interkulturelle Sensibilität mitbringt, hat bereits die wesentlichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Umgang mit Chinesen erfüllt. Allerdings gilt es darüber hinaus, die 'kulturellen Vokabeln' zu lernen, d.h. sich das notwendige Wissen über die kulturellen Unterschiede und deren Bedeutung im Geschäftsleben anzueignen. Doch diese Know-how hilft nur dem wirklich weiter, der es in konkreten Situationen mit Chinesen auch anzuwenden weiß.

Auszug aus: Gerd Schneider, Jufang Comberg: Geschäftskultur China kompakt. Wie Sie mit chinesischen Geschäftspartnern, Kollegen und Mitarbeitern erfolgreich zusammenarbeiten, ISBN 978-3-943176-32-2

This article has been submitted by CONBOOK Verlag 

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